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VERGABEVERFAHREN: WENN KONZERNSCHWESTERN EIGENE ANGEBOTE ABGEBEN

Vergabeverfahren: Wenn Konzernschwestern eigene Angebote abgeben

Öffentliche Aufträge werden im Geheimwettbewerb vergeben. Bieter dürfen also das Angebot oder die Angebotsgrundlagen eines anderen Bieters weder ganz noch teilweise kennen. Liegen einem öffentlichen Auftraggeber hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Unternehmen mit anderen Unternehmen wettbewerbsbeschränkende Absprachen getroffen hat, kann er die Bieterfirmen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen. 

 

Der Ausschlusstatbestand erfasst dabei nicht nur ausdrückliche Vereinbarungen, sondern auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mehrerer Bieter. Für Unternehmen eines Konzerns, die sich mit je einem eigenen Angebot an ein- und demselben Vergabeverfahren beteiligen wollen, bringt dies besondere Nachweispflichten mit sich, um zu belegen, dass durch ihre parallele Beteiligung der Geheimwettbewerb nicht gefährdet ist. Das bestätigt eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer (VK) Rheinland (Beschluss vom 19.05.2021 – VK 6/21). 

Demnach wird rechtlich grundsätzlich vermutet, dass der Geheimwettbewerb nicht gewahrt ist, wenn sich mehrere konzernverbundene Unternehmen an einer Ausschreibung mit eigenen Angeboten beteiligen. Die Widerlegung der Vermutung obliege den konzernverbundenen Unternehmen, entschied die Vergabekammer. Dabei reiche es nicht aus, dass die verbundenen Unternehmen versichern, sich im Rahmen der konkreten Ausschreibung wettbewerbskonform verhalten zu haben.

 

Der Fall

In dem konkreten Fall schrieb der öffentliche Auftraggeber Verträge über Kampfmittelbeseitigung aus. Der Auftrag war dabei in eine Vielzahl von Fach- und Gebietslosen unterteilt. Ein Bieter, der spätere Antragsteller, sollte den Zuschlag für zwei Lose erhalten. Für 13 weitere Lose sollte der Zuschlag an andere Bieter gehen, wovon vier Lose drei Konkurrenten, die drei späteren Beigeladenen, erhalten sollten.

Der Antragsteller rügte den beabsichtigten Zuschlag zu Gunsten dieser Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb: beide Unternehmen besäßen denselben Geschäftsführer und dieselben Gesellschafter. Es sei nicht zu erkennen, dass die Unternehmen den Nachweis erbracht hätten, dass sie das Angebot des jeweils anderen Unternehmens nicht kennen würden.

Ein solcher Nachweis sei auch rein tatsächlich kaum zu erbringen. Die beiden Unternehmen erklärten dagegen, ihre Angebote ohne Kenntnis von Angeboten anderer Unternehmen, insbesondere des jeweils anderen, erstellt zu haben. Sie seien voneinander unabhängig und agierten in jeder Hinsicht eigenständig. Die operative Tätigkeit sei zudem ausschließlich Sache der die Angebote unterzeichnenden Prokuristen. Der Geschäftsführer habe keinerlei Kenntnis vom Ausschreibungsverhalten der jeweiligen Unternehmen, das gelte auch für das konkrete Vergabeverfahren. Es bestünden auch keinerlei Verbindungen oder Zugriffsmöglichkeiten zwischen den Unternehmen in der jeweiligen IT-Infrastruktur, da bei beiden Unternehmen durch entsprechende betriebliche Sicherheitsmaßnahmen geschützt seien.

Daraufhin beließ der Auftraggeber beide Unternehmen im Wettbewerb und half der Rüge des Konkurrenten nicht ab, da aus seiner Sicht keine Anhaltspunkte bestünden, dass die beiden Bieter allein dadurch, dass sie denselben Geschäftsführer haben, Kenntnisse über die jeweiligen Angebote besitzen. Der Antragsteller strengte daraufhin ein Nachprüfungsverfahren an.

 

Die Entscheidung

Mit Erfolg. Der Auftraggeber habe bei seiner Entscheidung, die Angebote der beiden Unternehmen nicht wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen, die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums überschritten, befand die Kammer. Sie ordnete an, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückzuversetzen und die Angebotswertung unter Ausschluss der Angebote der beiden Unternehmen zu wiederholen.

Nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann der Auftraggeber ein Angebot vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn er über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen / Verhaltensweisen o. ä. vorlägen.

Beide Begriffe seien weit zu verstehen, stellt die Kammer klar, Kenntnis vom Angebot eines anderen Bieters genüge. Beteiligten sich mehrere konzernverbundene Unternehmen an einer Ausschreibung mit eigenen Angeboten, bestehe grundsätzlich eine widerlegbare Vermutung dafür, dass der Geheimwettbewerb zwischen den Unternehmen nicht gewahrt sei. Die Widerlegung dieser Vermutung obliege den konzernverbundenen Unternehmen. Hierzu müssten die betreffenden Unternehmen strukturelle Unterschiede schildern, die einen Wettbewerbsverstoß bereits im Ansatz effektiv verhindern. Dies sei hier nicht geschehen.

Der Auftraggeber habe Umfang und Bedeutung der unstreitig feststehenden Verflechtungen der beiden Unternehmen nahezu vollständig verkannt. In der Folge habe er Schlussfolgerungen getroffen und seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, die ebenfalls die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten. So habe der Auftraggeber die Identität des Geschäftsführers als nicht problematisch gewertet, was nach Auffassung der Kammer abwegig und zu kurz gegriffen sei – zumal der ausgeschriebene Auftrag strategische Bedeutung gehabt habe. Auch die im Vermerk zur Nichtausschlussentscheidung dargelegten weiteren Erwägungen seien nicht dazu geeignet, die bestehende Vermutung zu entkräften, dass bei der Angebotserstellung der Geheimwettbewerb verletzt wurde.

 

Die Bedeutung für Bieterfirmen

Konzernverbundene Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre parallele Beteiligung an einem Vergabeverfahren Fragen hinsichtlich des zu wahrenden Geheimwettbewerbs aufwirft. Fragen, auf die sie gegenüber dem Auftraggeber – und auch gegenüber der Vergabekammer, wenn ein Konkurrent die Verletzung des Geheimwettbewerbs beanstandet – Antworten haben müssen. Ergeben sich Indizien dafür, dass Angebote nicht unabhängig erstellt oder abgestimmt wurden, und sind die verbundenen Bieter nicht in der Lage, den Beweis des Gegenteils zu erbringen, bedingt dies den zwingenden Ausschluss.

Zu empfehlen ist daher, unabhängig von der konkreten Ausschreibung, im Konzern organisatorische und technische Vorkehrungen zu treffen, die eine Gefährdung des Geheimwettbewerbs wirksam ausschließen. Mögliche Maßnahmen zur Vermeidung eines Informationsaustausches und von Interessenskonflikten können zum Beispiel sein: sogenannte „chinese walls“, interne Zuständigkeitsregelungen, Arbeits- und Organisationsanweisungen oder auch unterschiedlich festgelegte Zugriffsrechte, Passwörter, gesonderte Arbeits- und Speichermedien etc. Diese Maßnahmen sollten zugleich dokumentiert werden.

 

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