DAS VERGABETRANSFORMATIONSPAKET: AKTUELLE INFOS UND ENTWICKLUNGEN

Am 27.11.2024 hat das Bundeskabinett das sogenannte „Vergabetransformationspaket“ beschlossen – mit dem Ziel der Stärkung innovativer und nachhaltiger Aspekten im Vergabeverfahren. Mit dem Ende der Ampelregierung und der Amtsübernahme durch die neue Bundesregierung 2025 steht auch das Vergabetransformationspaket erneut auf dem Prüfstand.
Da bislang keine umfassenden Stellungnahmen der neuen Koalition zur konkreten Umsetzung vorliegen, stellen wir im Folgenden den bisherigen Entwurf in seinen wesentlichen Punkten vor. Am Ende geben wir einen Ausblick, wie die Umsetzung unter der neuen Bundesregierung ab dem Jahr 2025 aussehen könnte und zeigen, welche Veränderungen sich im Vergaberecht zuletzt abgezeichnet haben.
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Was sind die wesentlichen Ziele des Gesetzgebungspakets?
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Wie sollen Startups in der öffentlichen Beschaffung gestärkt werden?
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Was sind weitere Kernanliegen der Reform?
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Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich für öffentliche Stellen und Bieter?
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Was bedeutet die Vergaberechtsreform für den Wettbewerb?
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Wie sieht die Umsetzung des Vergabetransformationspakets unter der neuen Bundesregierung aus?
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Neue vergaberechtliche Regelungen – Länderüberblick
Mit dem Beschluss zum Vergabetransformationspaket wurde der Weg für eine umfassende Reform des Vergaberechts geebnet. Ziel ist es, öffentliche Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu digitalisieren und zu beschleunigen.
Erfahren Sie in unserem aktuellen DTAD Magazin Beitrag, welche Ziele das Reformpaket verfolgt und welche Vorteile es für öffentliche Stellen sowie Bieter bietet.
WAS SIND DIE WESENTLICHEN ZIELE DES GESETZGEBUNGSPAKETS?
Das Gesetzgebungs-Paket soll die öffentliche Beschaffung vor allem in stärkerem Maße sozial, ökologisch und innovativ ausrichten. Knapp 200 Vorschläge zur Reform des gesamten Vergaberechts, Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) inklusive, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgelegt. Dabei sei insbesondere Wert auf die Vereinfachung der Vergabeverfahren und Abbau überschüssiger Bürokratie gelegt worden sowie auf einfach umsetzbare, praxisnahe Regelungen für eine nachhaltigere Beschaffung, so das Ministerium auf seiner Internetseite.
Ziel sei eine weitreichende Entlastung der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass
- Nachweispflichten für Unternehmen deutlich gesenkt.
- bürokratische Hürden abgebaut,
- Gesamtvergaben etwa zum Zweck beschleunigter Transformations-, Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte erleichtert,
- die Wertgrenzen für erleichterte Vergabeverfahren angehoben und
- Nachprüfungsverfahren digitalisiert werden.
Dadurch werden öffentliche Aufträge wieder attraktiver für die deutsche Wirtschaft und der Wettbewerb gestärkt.
WIE SOLLEN STARTUPS IN DER ÖFFENTLICHEN BESCHAFFUNG GESTÄRKT WERDEN?
Das Ministerium hebt weiter hervor, dass auch Innovationen in der öffentlichen Beschaffung gestärkt werden sollen. Gerade die Chancen von jungen, kleinen und mittleren Unternehmen sollen verbessert werden; sie sollen mit dem Entwurf zukünftig mehr Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen finden. So sollen öffentliche Auftraggeber die besonderen Umstände von jungen Unternehmen bei der Auswahl der Kriterien und Nachweise für die Eignung der Unternehmen berücksichtigen.
Auch sollen Auftraggeber verpflichtet werden, alternative Eignungsnachweise zuzulassen, wenn junge Unternehmen die geforderten Eignungsnachweise nicht erbringen können. Damit sollen die Teilnahmemöglichkeiten von jungen Unternehmen an öffentlichen Aufträgen verbessert und dadurch der Wettbewerb in Vergabeverfahren gestärkt werden.
Nach dem Reformpaket sollen Auftraggeber künftig in den Vertragsunterlagen auch geeignete Zahlungsmodalitäten vereinbaren, welche die besonderen Umstände von jungen Unternehmen berücksichtigen. Dies könne etwa durch die Vereinbarung von Vorauszahlungen bei Auftragserteilung, von Abschlagszahlungen oder von kurzen Zahlungsfristen geschehen.
Für Verfahren nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) soll ein sogenannter Direktauftrag, also die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens an ein Unternehmen, bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 100.000 Euro netto zulässig sein, wenn dieser Auftrag innovative Lösungen umfasst. Voraussetzung ist, dass der Auftrag an junge, kleine und mittlere Unternehmen oder an gemeinwohlorientierte Unternehmen vergeben wird.
WAS SIND WEITERE KERNANLIEGEN DER REFORM?
Ein Kernanliegen der Reform sieht vor, dass zukünftig soziale und umweltbezogene Kriterien bei den Vergabeverfahren im Regelfall berücksichtigt werden sollen.
Mit diesem Konzept soll die deutsche Wirtschaft im Wettbewerb um öffentliche Aufträge gestärkt und die Entwicklung grüner Leitmärkte, etwa bei Stahl und Zement gefördert werden. Angesichts der bislang eher zögerlichen Anwendung von nachhaltigen Kriterien im Vergabeverfahren sieht es das Reformpaket als „dringend geboten“ an, die sozial-ökologisch nachhaltige Beschaffung zu stärken und eine größere Klarheit und Verbindlichkeit für die Berücksichtigung von sozialen und umweltbezogenen Kriterien gesetzlich zu verankern.
WELCHE VORTEILE UND NACHTEILE ERGEBEN SICH FÜR ÖFFENTLICHE STELLEN UND BIETER?
Mit dem Vergabetransformationspaket wurde sich auch die weitreichende Entlastung der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung auf die Fahnen geschrieben. Ob das gelingt, ist allerdings nicht sicher.
Zwar werden durch den Gesetzentwurf Nachweispflichten für Unternehmen gesenkt und teilweise bürokratische Hürden abgebaut. Auch die voranschreitende Digitalisierung ist zu begrüßen. Viele öffentliche Auftraggeber werden schließlich die erleichterte Möglichkeit, Gesamtvergaben durchzuführen und auf die Losaufteilung zu verzichten, gutheißen; auch die höheren Wertgrenzen für erleichterte Vergabeverfahren sorgen für mehr Flexibilität und erleichtern die zügige Durchführung von Beschaffungsmaßnahmen. Die Ausrichtung der Vergabeverfahren hin zu mehr Nachhaltigkeit würde für die Auftraggeber hingegen mehr Aufwand bedeuten.
WAS BEDEUTET DIE VERGABRECHTSREFORM FÜR DEN WETTBEWERB?
Für Startups dürfte es attraktiver werden, sich an öffentlichen Vergabeverfahren zu beteiligen. Die Erhöhung von Wertgrenzen etwa für Direktaufträge und Freihändige Vergaben liegt im Trend.
Aus Sicht der Auftraggeber ist sie ein probates Mittel für unaufwändigere und effizientere Beschaffungsprozesse. Unumstritten ist die Erhöhung der Wertgrenzen jedoch nicht. Die Transparenz der Auftragsvergabe und womöglich auch der Wettbewerb leiden, wenn vermehrt Direktvergaben durchgeführt werden.
Sollte die Erhöhung der Wertgrenzen für Direktaufträge – die viele Bundesländer bereits eingeführt haben – auch auf Bundesebene Wirklichkeit werden, müssen Bieter befürchten, dass Auftraggeber häufig auf bekannte und bewährte Unternehmen zurückgreifen und so nicht alle Unternehmen auf dem Markt zum Zuge kommen.
WIE SIEHT DIE UMSETZUNG DES VERGABETRANSFORMATIONSPAKETS UNTER DER NEUEN BUNDESREGIERUNG AUS?
Nach dem Ende der Ampel-Koalition liegt die Umsetzung der Vergaberechtsreform nun in den Händen der neuen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Im Koalitionsvertrag finden sich einige Anknüpfungspunkte an das bisherige Vergabetransformationspaket. Konkrete Gesetzesinitiativen oder Zeitpläne zur Umsetzung wurden bislang jedoch nicht vorgestellt. Im Fokus der neuen Bundesregierung stehen insbesondere mittelstandsfreundliche Vergaben sowie die Vereinfachung, Beschleunigung und Digitalisierung von Vergabeverfahren.
Ziel: Vereinfachung des Vergaberechts
Im Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir streben für die Schwellenwerte für öffentliche Ausschreibungen im nationalen Recht eine Vereinheitlichung an und wollen sie insbesondere für Direktvergaben und freihändige Vergaben heraufsetzen.“
Hintergrund: Jedes Bundesland kann im Unterschwellenbereich eigene vergaberechtliche Regelungen treffen. Diese können sich nicht nur zwischen den Ländern unterscheiden, sondern teilweise sogar innerhalb eines Landes. Zudem gibt es Sonderregelungen für bestimmte Leistungen oder Unternehmen. Das Ergebnis: ein „Flickenteppich“ an Wertgrenzen, der die Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit erheblich erschwert.
Ziel: Erhöhung der Wertgrenzen für Direktaufträge
Zur Heraufsetzung der Wertgrenzen für Direktvergaben und Freihändige Vergaben steht folgendes im Koalitionsvertrag: „Auf Bundesebene werden wir die Wertgrenze bei Direktaufträgen für Liefer- und Dienstleistungen auf 50.000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung auf 100.000 Euro erhöhen. Auch auf europäischer Ebene setzen wir uns für eine maßvolle Erhöhung der Schwellenwerte und für eine getrennte Betrachtung der Planungsleistungen ein.“
Die geplante Start-up-Regelung stimmt mit dem bereits vorliegenden UVgO-Entwurf überein.
NEUE VERGABERECHTLICHE REGELUNGEN – LÄNDERÜBERBLICK
Zum Jahresbeginn und zur Mitte des Jahres 2025 wurden sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene neue vergaberechtliche Regelungen eingeführt – insbesondere Anhebungen der Wertgrenzen im Unterschwellenbereich. Während der Bund einheitliche Vorgaben für Vergabestellen des Bundes beschlossen hat, bleibt die Situation in den Bundesländern weiterhin heterogen: Je nach Bundesland gelten unterschiedliche Schwellenwerte, Verfahrenserleichterungen und Sonderregelungen.
Im Folgenden finden Sie einen kompakten Überblick über die wichtigsten Änderungen:
Bayern (ab 01.01.2025)
Liefer-, Dienst-, freiberufliche Leistungen:
- Direktauftrag bis 100.000 Euro netto zulässig
- Beschränkte Ausschreibung und Verhandlungsvergabe immer zulässig (unterhalb EU-Schwelle)
Bauleistungen:
- Direktauftrag bis 250.000 Euro netto
- Beschränkte Ausschreibung und Freihändige Vergabe bis 1 Mio. Euro netto
Rheinland-Pfalz (ab 01.01.2025)
Liefer-/ Dienstleistungen (UVgO):
- Direktauftrag bis 10.000 Euro netto
- Beschränkte Ausschreibung und Verhandlungsvergabe bis 100.000 Euro netto
Bauleistungen:
- Direktauftrag bis 10.000 Euro netto
- Beschränkte Ausschreibung bis 250.000 Euro netto
- Freihändige Vergabe bis 100.000 Euro netto
- Sonderregelungen im Wohnungsbau
Sachsen-Anhalt (ab 01.01.2025)
Liefer-/ Dienstleistungen:
- Direktauftrag bis 15.000 Euro netto
- Beschränkte Ausschreibungen mit und ohne Teilnahmewettbewerb und Verhandlungsvergaben mit oder ohne Teilnahmewettbewerb bis 100.000 Euro netto
- Freiberufliche Leistungen: Direktvergabe bis 80.000 Euro netto
Bauleistungen:
- Direktauftrag bis 20.000 Euro netto
- Freihändige Vergabe bis 150.000 Euro netto
- Beschränkte Ausschreibung bis 1 Mio. Euro netto
- Besonderheit: Wertgrenzen teilweise gesenkt gegenüber 2024
Brandenburg (ab 17.06.2025)
Liefer-/ Dienstleistungen:
- Direktauftrag bis 100.000 Euro netto
Bauleistungen:
- Direktauftrag bis 100.000 Euro netto
- Freihändige Vergabe bis 1.000.000 Euro netto
Die Wertgrenze für Veröffentlichungen auf dem Vergabemarktplatz liegt bei 100.000 Euro.
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen
Geplante Änderungen im Laufe des Jahres 2025:
- Konkret geplante Anhebung der Wertgrenzen im Unterschwellenbereich
- Reformen befinden sich in Vorbereitung
Anhebung der Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes
Auch der Bund hat zum 01.01.2025 neue „Abweichende Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Vergabe von „niedrigvolumigen öffentlichen Aufträgen im Unterschwellenbereich“ beschlossen:
Liefer- und Dienstleistungen:
- Direktvergabe bis 15.000 Euro netto möglich
- Gilt für alle Vergabestellen des Bundes
Bauleistungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg:
- Direktvergabe bis 8.000 Euro netto zulässig
- Begründet mit Dringlichkeit und Versorgungssicherheit
Bundesministerium der Verteidigung:
- Eigene Sonderregelungen für Bauaufträge
- Details nicht einheitlich öffentlich geregelt
Der sogenannte "Flickenteppich" im Vergaberecht besteht letztendlich fort. Fraglich bleibt, wann und wie die aktuelle Bundesregierung konkrete Schritte zur Vereinheitlichung einleitet. Umso wichtiger ist es, über die aktuellen Regelungen im eigenen Bundesland informiert zu bleiben – insbesondere für Unternehmen, die regelmäßig öffentliche Aufträge anstreben.
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