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IM ANGEBOT VERKALKULIERT – UND NUN?

Im Angebot verkalkuliert – und nun?

Bieter sind während der Bindefrist an ihr Angebot gebunden. Eine Rücknahme des Angebots kommt nur bis zum Ablauf der Angebotsfrist in Betracht. Die Bindungswirkung eines Angebotes kann nur in Ausnahmefällen beseitigt werden. Was aber gilt, wenn sich ein Bieter in seinem Angebot verkalkuliert hat?

 

Allgemein ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, Angebote auf Kalkulationsfehler zu überprüfen oder weitere Ermittlungen anzustellen. Dass dies ausnahmsweise anders sein kann, wenn sich der Kalkulationsirrtum und seine unzumutbaren Folgen für den Bieter dem Auftraggeber geradezu aufdrängen, zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden (Beschluss vom 02.07.2019 – 16 U 975/19).

Demnach verstößt der öffentliche Auftraggeber gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Bieters, wenn er dessen offensichtlichen Kalkulationsfehler erkennt oder erkennen musste und ihm dennoch den Zuschlag erteilt. Das ist rechtsmissbräuchlich, wenn dem Bieter die Durchführung des Auftrags wegen des Kalkulationsfehlers nicht zuzumuten ist. Der Auftraggeber kann in einem solchen Fall von dem Bieter keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen.

Der Fall

Eine Gemeinde nimmt ein Unternehmen auf Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Bauvertrages in Anspruch, der durch die Erteilung des Zuschlags in einer öffentlichen Ausschreibung geschlossen wurde. Gegenstand der Ausschreibung waren Rohbauarbeiten. Das Unternehmen hatte das günstigste Angebot mit einer Nettosumme von 160.592,99 Euro abgegeben. Die Angebote der zwei weiteren Bieter, die an der Ausschreibung teilgenommen hatten, lagen bei 210.506,97 Euro netto bzw. bei 225.755,43 Euro netto – und waren damit um ca. 24 % teurer.

Der Bestbieter wies bereits nach der Eröffnung der Angebote darauf hin, sich verkalkuliert zu haben. Im Kalkulationsprogramm sei fehlerhaft ein Faktor von 0,5 für die Berechnung der Lohnstunden hinterlegt worden. Hierdurch sei nur die Hälfte der erforderlichen Löhne inklusive Zulagen und Zuschläge im Angebot enthalten. Das Unternehmen erklärte die Rücknahme seines Angebotes und bat die Gemeinde, dieses von der Wertung auszuschließen.

Dieser Bitte kam die Gemeinde nicht nach, sondern erteilte dem Bieter den Zuschlag. Dieser teilte mit, dass er den Bauauftrag nicht ausführen werde. Die Gemeinde beauftragte daraufhin den Zweitplatzierten mit der Durchführung der Bauarbeiten. Nachdem dieser seine Schlussrechnung vorgelegt hatte, machte die Gemeinde die Differenz zum Angebot des Bestbieters als Nichterfüllungsschaden gegenüber dem Bestbieter geltend. Ein Kalkulationsfehler habe nicht festgestellt werden können. Das Landgericht wies die Klage der Gemeinde ab, die Gemeinde legte daraufhin Berufung ein.

Die Entscheidung

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Auch das OLG Dresden wies die Klage auf Schadensersatz wegen unzulässiger Rechtsausübung zurück. Wer wie die Gemeinde ein Vertragsangebot annimmt und auf die Durchführung eines Vertrags besteht, obwohl er weiß oder wissen muss, dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruht, verhält sich rechtsmissbräuchlich. Eine unzulässige Rechtsausübung setzt dabei einen für den Auftraggeber erkennbaren erheblichen Kalkulationsfehler des Bieters und zudem voraus, dass die Durchführung des Auftrags für den betroffenen Bieter unzumutbar ist. Beide Voraussetzungen seien hier gegeben, so das OLG Dresden.

Für die Gemeinde sei es aufgrund des besonders großen Abstands von ca. 24 % zum Zweit- und Drittplatzierten erkennbar gewesen, dass das Angebot des Bestbieters auf einem Kalkulationsirrtum beruhte.

Gegen die von der Gemeinde behauptete bewusste „Unterwertkalkulation“ spreche auch, so das OLG Dresden, dass der Bieter direkt nach dem Eröffnungstermin den Kalkulationsfehler offengelegt und um die Nichtberücksichtigung seines Angebotes gebeten habe. Dieses Verhalten passe nicht zu einem von der Gemeinde angenommenen bewussten Niedrigpreisangebot. Letztlich habe der Sachverständige auch bestätigt, dass sich der Kalkulationsirrtum auf die Lohnstunden beziehe, weshalb eine alternative Kompensation, wie sie z. B. beim Materialeinsatz denkbar wäre, unmöglich sei. Auch sei dem Bieter die Durchführung des Auftrags zu den von ihm angebotenen Bedingungen nicht zuzumuten.

Die Verpflichtung, aus Rücksicht auf die Interessen des Bieters von der Zuschlagserteilung abzusehen, greife nicht erst ein, wenn dessen wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel stehe. Es seien vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Hier habe das Angebot des Bestbieters nicht nur knapp 24 % unterhalb des Angebotes des Zweitplatzierten gelegen, sondern auch um 14,2 % unterhalb des vom Sachverständigen gebildeten mittleren angemessenen Preises von 187.164,03 Euro. Bei einer solchen Sachlage sei die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten, so das OLG Dresden.  

Die Bedeutung für Bieter

Eine Loslösung vom Angebot nach Ablauf der Angebotsfrist kommt nur nach zivilrechtlichen Grundsätzen in Betracht – zum Beispiel durch Anfechtung wegen eines sogenannten Erklärungsirrtums oder wenn sich ein Bieter auf den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage beruft.

Ein Bieter, dem ein Kalkulationsfehler unterlaufen ist, kann die fehlerhafte Position ggf. wegen eines sogenannten Erklärungsirrtums anfechten. Die wirksame Anfechtung führt zur Unwirksamkeit der Erklärung in der betreffenden Position, jedoch auch dazu, dass das Angebot unvollständig ist und in aller Regel ausgeschlossen werden muss. Der Bieter steht damit vor der Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder ist sein Angebot infolge der Anfechtung auszuschließen oder er muss sich an dem irrtümlich angebotenen Preis festhalten lassen.

Wie der Beschluss des OLG Dresden – der im Übrigen ganz auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt – zeigt, gilt das jedoch nicht ausnahmslos: Jedenfalls vor einem schwerwiegenden Kalkulationsfehler eines Bieters darf der Auftraggeber nicht einfach die Augen verschließen und den Zuschlag erteilen, um dann auf Vertragserfüllung zu pochen. Ist für den Auftraggeber erkennbar, dass sich der Bieter mit unzumutbaren wirtschaftlichen Folgen verkalkuliert haben muss, darf er den Zuschlag auf das Angebot nicht erteilen. Ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen eines Kalkulationsirrtums ist dabei der besonders große Abstand des betroffenen Angebotes zum nächsthöheren Angebot (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2014 - X ZR 32/14).

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