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KONJUNKTURPAKET DER BUNDESREGIERUNG: FOLGEN FÜR DAS VERGABERECHT

Welche Folgen hat das Konjunkturpaket der Bundesregierung auf das Vergaberecht?

Das von der Bundesregierung vergangene Woche beschlossene „Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket“ sieht zahlreiche Veränderungen vor: eine vorübergehend niedrigere Mehrwertsteuer, Hilfen für Kommunen, Zuschüsse für Familien und höhere Kaufprämien für Elektroautos. Auch das Vergaberecht soll – zumindest zeitweise – vereinfacht werden, um so die Konjunktur zu stärken und die Wirtschaftskraft Deutschlands zu entfesseln.

 

Das Konjunkturpaket für 2020 und 2021 hat einen Umfang von 130 Milliarden Euro – davon entfallen 120 Milliarden Euro auf den Bund. Mit ihm sollen Wirtschaft und Konsum der Bürger wieder angekurbelt und eine schwere Rezession infolge der Corona-Pandemie abgewendet werden.

Erklärtes Ziel der Koalitionspartner ist es, Deutschland schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen, der Arbeitsplätze und Wohlstand sichert. Dazu bedürfe es eines „aktiv gestalteten innovativen Modernisierungsschubs und der entschlossenen Beseitigung bestehender Defizite“, heißt es in dem von der Großen Koalition beschlossenen Eckpunktepapier.

 

Das Vergaberecht soll „temporär vereinfacht werden“

Was steht im Eckpunktepapier der Bundesregierung?

Das von der Großen Koalition beschlossene Eckpunktepapier enthält ein über 57 Ziffern verteiltes Bündel von Maßnahmen. In Ziffer 11 des Eckpunktepapiers heißt es:

„Um die öffentlichen Investitionsfördermaßnahmen schnell in konkrete Investitionsprojekte umsetzen zu können, soll das Vergaberecht temporär vereinfacht werden, etwa durch eine Verkürzung der Vergabefristen bei EU-Vergabeverfahren und die Anpassung der Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben in Deutschland. Die Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bleiben von diesen Regelungen unberührt.

Auch die Länder sind gefordert, Vereinfachungen umzusetzen. Die Koalition ist bestrebt, die Europäische Ratspräsidentschaft Deutschlands zu nutzen, um auf europäischer Ebene ein Programm zur Entbürokratisierung, zur Beschleunigung des Planungsrechts, zur Vereinfachung des Vergaberechts und zur Reform des Wettbewerbsrechts anzustoßen. Wir prüfen im Lichte der im Herbst erwarteten EuGH-Entscheidung eine europarechtskonforme materielle Präklusion gesetzlich wieder einzuführen.“

 

Welche Maßnahmen sind konkret geplant?

Was genau im Vergaberecht vereinfacht werden soll, sagt das Papier nicht. Es nennt nur zwei Beispiele und das allgemeine Ziel „Vereinfachung des Vergaberechts“. Endgültig beschlossen – geschweige denn umgesetzt – ist offenbar noch nichts. Als konkrete Maßnahmen zur Vereinfachung des Vergaberechts nennt das Eckpunktepapier zunächst diese zwei Vorhaben:

  • eine Verkürzung der Vergabefristen bei EU-Vergabeverfahren und

  • die Anpassung der Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben in Deutschland.

1. „Verkürzung der Vergabefristen"

Bei der umfassenden Reform des EU-Vergaberechts 2014 sind sämtliche Mindest-Verfahrensfristen für EU-weite Vergaben öffentlicher Aufträge erheblich verkürzt worden.

Kürzere Verfahrensfristen können schon jetzt für den – generell verpflichtenden – Einsatz elektronischer Mittel oder in Fällen „hinreichend begründeter Dringlichkeit“ in Anspruch genommen werden. Der Spielraum für noch kürzere Fristen dürfte daher rein tatsächlich ausgeschöpft sein. Und: Ob eine Verkürzung der Vergabefristen bei EU-Vergabeverfahren auf EU-Ebene durchgesetzt werden kann, erscheint mehr als fraglich. Für Regelungen im EU-Bereich hat die Europäische Kommission das Initiativrecht. Die Bundesregierung kann die anstehende Ratspräsidentschaft jedoch nutzen, um entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Solche Vorschläge könnten zum Beispiel auf Fristverkürzungen in den EU-weiten Vergabeverfahren zielen.

2. „Anpassung der Schwellenwerte"

Wenn in dem Eckpunktepapier von der Anpassung der „Schwellenwerte“ für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben die Rede ist, so ist dies missverständlich. Gemeint sind nicht die Schwellenwerte im Sinne des § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die zur Anwendung der Regelungen für EU-weite Vergabeverfahren in den §§ 97 ff. GWB führen, wenn der Wert des zu vergebenden öffentlichen Auftrags diese erreicht oder überschreitet. Gemeint sind vielmehr die Wertgrenzen, innerhalb derer öffentliche Auftraggeber ohne weitere Begründung Vergabeverfahren wählen dürfen, die im Vergleich zur öffentlichen Ausschreibung weniger formstreng und damit flexibler sein können.

Solche Wertgrenzen sind etwa in Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) für Beschränkte Ausschreibungen ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb vorgesehen. Aber auch die Bundesländer sehen entsprechende Regelungen vor.

Angesprochen durch das Eckpunktepapier sind nationale Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungen nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) oder für Bauleistungen nach dem 1. Abschnitt der VOB/A. Das Eckpunktepapier nennt konkret Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben. Letztere entsprechen den Verhandlungsvergaben in der UVgO. Den genannten Vergabeverfahren ist gemeinsam, dass ihnen nicht stets eine vorherige Auftragsbekanntmachung vorausgehen muss; auch gelten gerade bei der Freihändigen Vergabe bzw. der Verhandlungsvergabe weniger Vorgaben für das durchzuführende Verfahren; zu guter Letzt dürfen Auftraggeber und Bieter über den gesamten Auftragsgegenstand – anders als bei der Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung – frei verhandeln.

 

Kommt es zur Renaissance der Wertgrenzen aus dem Konjunkturpaket II von 2009?

Welche Wertgrenzen die Bundesregierung für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben bzw. Verhandlungsvergaben konkret vorgeben will, steht in dem Eckpunktepapier nicht. Denkbar ist jedoch, dass der Bund sich an den Wertgrenzen orientiert, die im Rahmen des „Konjunkturpakets II“ (KoPa II) 2009 beschlossen wurden.

Das KoPa II sah folgende Wertgrenzen vor:

  • Für Bauvergaben nach dem 1. Abschnitt der VOB/A waren demnach bis zu einem Auftragswert von 1 Mio. Euro netto Beschränkte Ausschreibungen und bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro netto Freihändige Vergaben zugelassen.

  • Für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträge nach der VOL/A waren bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro netto Freihändige Vergaben (jetzt: Verhandlungsvergaben) zugelassen.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Bund diese Wertgrenzen für einen befristeten Zeitraum wieder beschließt. Dafür spricht auch, dass erst kürzlich für Bauleistungen zu Wohnzwecken bis zum 31.12.2021 die oben genannten Wertgrenzen beschlossen wurden (vgl. Fußnote 3 und 4 zu § 3a VOB/A). Ob es so kommt, ist derzeit aber noch offen – erforderlich ist in jedem Fall noch eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung.

 

Wie lassen sich die Maßnahmen aus Bietersicht bewerten?

Die von der Bundesregierung in dem Eckpunktepapier angedachten Maßnahmen zur Vereinfachung des Vergaberechts sind aus Bietersicht eher kritisch zu sehen. Kürzere Verfahrensfristen führen nicht zwangsläufig dazu, dass schneller gebaut oder eingekauft wird. Gleichzeitig haben Unternehmen weniger Zeit für die Erarbeitung konkurrenzfähiger Angebote oder aussagekräftiger Teilnahmeanträge.

Auch höhere Wertgrenzen für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben / Verhandlungsvergaben und damit ein größerer Anwendungsbereich für diese Verfahren sind für Bieter nicht in jedem Fall positiv. Denn häufig sind diese Verfahren – schon aufgrund der fehlenden Bekanntmachung – weniger transparent; auch besteht weniger Wettbewerb, weil der öffentliche Auftraggeber sich diejenigen Unternehmen, die ein Angebot abgeben sollen, selbst aussuchen kann. Es leidet die Gleichbehandlung der Bieter.

Auf diese Kritikpunkte hat auch der Bundesrechnungshof in seiner Bewertung der Vergabeerleichterungen im Konjunkturpaket II hingewiesen.

Der Bundesrechnungshof kommt insgesamt zu dem Ergebnis, dass die mit den Vergabeerleichterungen verfolgten Ziele damals im Wesentlichen nicht erreicht wurden. Stattdessen hätten deutliche Nachteile beim Wettbewerb und bei der Wirtschaftlichkeit sowie eine erhöhte Korruptions- und Manipulationsgefahr in Kauf genommen werden müssen. Dass derartige Gefahren latent drohen, daran ändert auch der in dem Eckpunktepapier genannte Grundsatz nichts, wonach die Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz sowie derWirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von den beabsichtigten Lockerungen unberührt bleiben sollen.

 

Welche Rolle nehmen die Bundesländer ein?

„Auch die Länder sind gefordert, Vereinfachungen umzusetzen“, heißt es in dem Eckpunktepapier lapidar. Aktuell haben die meisten Bundesländer wegen der Corona-Pandemie bereits eine Erhöhung der Wertgrenzen beschlossen.

Manche Länder sind dabei weit über die Maßnahmen des KoPa II hinausgegangen. So ist etwa in Thüringen für die Vergabe von Bauleistungen, deren Vergabeverfahren im Zeitraum vom 03.04.2020 bis zum Ablauf des 31.12.2020 beginnen, ohne weitere Einzelbegründung eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bzw. eine Freihändige Vergabe bis zu einem geschätzten Gesamtauftragswert von bis zu einschließlich 3 Mio. Euro netto zulässig. Für die Vergabe von Liefer- und gewerblichen Dienstleistungen können im gleichen Zeitraum ohne weitere Einzelbegründung eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe bis zu einem geschätzten Auftragswert von 214.000 Euro netto gewählt werden.

Das Beispiel zeigt: Die Länder haben bereits das ihre getan, um – wie in dem Eckpunktepapier ausdrücklich gefordert – Vereinfachungen der Vergaberegeln umzusetzen. Ob daneben noch Raum für weitere Anpassungen ist, erscheint fraglich.

 

Welche weiteren Vereinfachungen wären denkbar?

Auf EU-Ebene könnte auch eine Erhöhung der Schwellenwerte (vgl. § 106 GWB) vorgeschlagen werden. Gerade für den im Vergleich zu Bauaufträgen (5.350.000 Euro) relativ niedrigen Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen (214.000 Euro) ist dies in der Vergangenheit mehrfach von verschiedenen Branchen und / oder Interessengruppen gefordert worden.

Wegen der Verknüpfung der EU-Schwellenwerte zum General Procurement Agreement (GPA), dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen zwischen einzelnen Vertragsstaaten der Welthandelsorganisation, das den Zugang zu öffentlichen Aufträgen regelt, ist dies jedoch wenig realistisch.

Meint die Bundesregierung es ernst mit der Entbürokratisierung des Vergaberechts, so sollte sie vor allem daran gehen, die Nachweislasten für Bieter zu reduzieren und etwa generell die Beibringung von Eigenerklärungen ausreichen zu lassen. Bei Vergabeverfahren nach VOB/A kann der Auftraggeber bislang lediglich vorsehen, dass für einzelne Angaben Eigenerklärungen ausreichend ist.

Auch die Möglichkeiten zur Nachforderung fehlender, unvollständiger oder fehlerhafter Unterlagen könnten zumindest großzügig interpretiert werden. Hier weist vielleicht das Bundesinnenministerium (BMI) den Weg: Das Ministerium hält in seinen Auslegungshinweisen zur VOB/A (Erlass vom 26.02.2020 – Az.: 70421/2#1 ff) eine Nachforderung fehlerhafter unternehmensbezogener Unterlagen nicht nur bei formellen Fehlern für möglich. Vielmehr könnten alle geforderten unternehmensbezogenen Unterlagen nachgereicht, vervollständigt oder korrigiert werden. Die materielle Eignung des Bieters sei unabhängig von der Frage ihres formell ordnungsgemäßen Nachweises entweder gegeben oder nicht. Mittels der Nachweise werde sie lediglich belegt.

Eine Verzerrung des Wettbewerbs trete auch bei einer Korrektur nicht ein, weil kein objektiv ungeeigneter Bieter geeignet werde und umgekehrt. Die jüngere rechtspolitische Entwicklung im Bauvergaberecht sei davon geprägt, im Interesse der Erhaltung eines möglichst umfassenden Wettbewerbs die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote nicht unnötig wegen formaler Mängel zu reduzieren. Dem wolle die VOB/A 2019 ausdrücklich Rechnung tragen, so das BMI. Dieser Linie könnte man bei den beabsichtigten Vereinfachungen des Vergaberechts treu bleiben.

Wenn die Bundesregierung zugleich tatsächlich eine zügige Umsetzung von Investitionen erreichen will, ist es erforderlich, dass die Vergabe von Planungsleistungen deutlich beschleunigt wird.

In der Praxis dauert ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb bei Planungsvergaben oberhalb der Schwellenwerte vom Zeitpunkt der Bekanntmachung bis zur Auftragserteilung selten weniger als drei Monate. Drei Monate, die die Planung später beginnt und drei Monate, die im Anschluss daran auch die Bauleistungen erst später vergeben werden. Dies sollte im Sinne einer möglichst zügigen Umsetzung beschleunigt werden. Hierzu wäre etwa eine partielle Ausnahme von der Anwendung des GWB für Planungen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Konjunkturfördermaßnahmen erforderlich. Das freilich könnte wiederum nur die EU, nicht aber die Bundesregierung umsetzen.

 

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