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NACHGEREICHTE UNTERLAGEN AUSTAUSCHEN? FRISTGERECHT - KEIN PROBLEM

Nachgereichte Unterlagen austauschen? Wenn fristgerecht, kein Problem!

Lange Zeit mussten in öffentlichen Vergabeverfahren viele, häufig attraktive Angebote allein wegen Fehlens eines einzigen Nachweises vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Dieses überstrenge Verständnis des Gleichbehandlungsgebots engte in der Praxis den Wettbewerb unnötig ein. Mehrere Reformen des Vergaberechts haben seither hierauf
reagiert – und in unterschiedlichen Varianten die Nachforderung fehlender Unterlagen ermöglicht.

 

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) ist hierbei besonders formal. Sofern das Angebot nicht aus anderen Gründen (§ 16 VOB/A Ausschluss von Angeboten) ausgeschlossen wird, muss der öffentliche Auftraggeber fehlende Erklärungen und Nachweise nachverlangen (§ 16a VOB/A Nachforderung von Unterlagen). Anders als bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen im Anwendungsbereich der Vergabeverordnung (VgV) oder der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) steht die Nachforderung von Unterlagen nicht im Ermessen des Auftraggebers. Die nachgereichten Unterlagen sind in jedem Fall vom Auftraggeber zu beachten.

Das bedeutet auch, dass Bieter, die nachgeforderte Unterlagen eingereicht haben, diese zurückfordern, korrigieren und austauschen können, solange dies in der für die Nachforderung gesetzte Frist geschieht. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (Urteil vom 07.05.2020 | 1 U 772/19). 

Das Gericht hält es ausdrücklich für möglich, dass ein Bieter nachgeforderte und von ihm bereits vorgelegte Unterlagen innerhalb der gesetzten Frist zurückfordern bzw. neue Unterlagen einreichen kann. Die Vergabestelle ihrerseits muss die eingereichten Unterlagen so – nach Datum, ggf. Reihenfolge der Einreichung etc. – kennzeichnen, dass jederzeit festgestellt werden kann, welche Unterlagen zu berücksichtigen sind.

 

Der Fall

In dem konkreten Fall begehrte ein Unternehmen mit seiner Klage Schadensersatz von einer Verbandsgemeinde, da diese das Angebot der Klägerin zu Unrecht von einer öffentlichen Ausschreibung ausgeschlossen habe.

Die Ausschreibung betraf Bauleistungen für die Erweiterung und den Umbau einer Kindertagesstätte. Die Gemeinde hatte ein Architekturbüro mit der Durchführung des Vergabeverfahrens betraut. Die spätere Klägerin hatte das günstigste Angebot abgegeben. Nach Angebotsöffnung wurde sie von dem Architekturbüro aufgefordert, innerhalb einer Frist bestimmte Unterlagen sowie ihre Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag einzureichen.

Die Klägerin gab sämtliche Unterlagen fristgerecht ab. Sie teilte dann aber dem Architekturbüro telefonisch mit, dass sie einen Fehler bei der nachgereichten Urkalkulation gemacht habe: In den angebotenen Einheitspreisen habe sie einen Anteil für Leistungen von Subunternehmern einkalkuliert, obwohl sie tatsächlich nicht auf Subunternehmer zurückgreifen wolle. Die Klägerin bat daher um Austausch der eingereichten Urkalkulation.  

Dem Architekturbüro gingen die neuen, korrigierten Dokumente noch vor Fristablauf zu und wurden, inklusive des mit der Aufschrift ,,Urkalkulation NICHT ÖFFNEN" versehenen und verschlossenen Umschlags, zu den Vergabeunterlagen genommen. Die beiden Umschläge mit der alten und neuen Urkalkulation wurden von dem Architekturbüro nicht beschriftet oder geöffnet, jedoch mit einem Post-it und der Aufschrift ,,1. Urkalkulation“ bzw. ,,2. Urkalkulation" versehen.

Die Gemeinde schloss das Angebot der Klägerin wegen Unzuverlässigkeit und angeblicher Manipulationsgefahren von der Wertung aus und erteilte einer Konkurrentin mit dem zweitniedrigsten Angebot den Zuschlag. Hätte die Klägerin den Auftrag aufgrund ihres Angebotes erhalten, hätte sie einen Gewinn von 24.935,72 € gemacht. Diesen entgangenen Gewinn machte die Klägerin nunmehr als Schadensersatz mit ihrer Klage geltend, da sie davon ausging, dass sie bei der rechtlich gebotenen Berücksichtigung ihres Angebotes den Zuschlag erhalten hätte. Sie trug unter anderem vor, sie habe mit dem Architekturbüro telefonisch vereinbart, die fehlerhafte Urkalkulation austauschen zu können. Das Landgericht gab der Klage statt, da die Gemeinde die Klägerin zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen habe. Gegen das Urteil des Landgerichts wandte sich der Auftraggeber mit seiner Berufung.

 

Die Entscheidung

Ohne Erfolg. Auch das OLG Koblenz hielt den Ausschluss des Angebotes der Klägerin nicht für gerechtfertigt, so dass die Gemeinde der Klägerin der geltend gemachte Schaden in Höhe des entgangenen Gewinns zu ersetzen habe.

Da sie das niedrigste Angebot abgegeben hatte, hätte der Klägerin der Zuschlag erteilt werden müssen. Denn die Vorgehensweise der Klägerin im Ausschreibungsverfahren sei insgesamt zulässig und nicht zu beanstanden, stellte das OLG klar. Die Gemeinde hätte die von der Klägerin eingereichten, insbesondere die nachgeforderten Unterlagen beachten müssen. Rechtliche Hinderungsgründe hierfür bestanden nicht. Das Gericht verweist hierfür auf die eingangs zitierten Regelungen in der VOB/A. Hiernach habe die Gemeinde die fristgerecht nachgereichten Unterlagen zu beachten. Bis zum Ablauf der Abgabefrist sei die Klägerin auch berechtigt gewesen, die fristgerecht eingereichten fehlerhaften Unterlagen zu korrigieren und auszutauschen. Anders als die Gemeinde meinte, habe überhaupt kein Raum für Missverständnisse oder Manipulationen bestanden, so das OLG. Denn die zuerst eingereichte Urkalkulation sei erst gar nicht geöffnet worden, so dass die Gemeinde von Inhalt der zunächst eingereichten Urkalkulation keine Kenntnis gehabt hätte und diese die Vergabeentscheidung nicht beeinflussen konnte.

Wäre der Klägerin beim Austausch der Urkalkulationen die erste ungeöffnete Urkalkulation zurückgegeben worden, hätte das Architekturbüro nur über ein einziges Exemplar verfügt, das den Vorgaben entsprochen hätte. Diese Sachlage ändere sich nicht dadurch, dass das Architekturbüro beide Umschläge zu den Vergabeunterlagen genommen habe. Für ein Zusammenwirken zwischen der Klägerin und dem Architekturbüro zum Nachteil von anderen Bietern im Vergabeverfahren gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Auch sei der Sperrvermerk ,,Urkalkulation NICHT ÖFFNEN" vergaberechtlich unbedenklich gewesen, so das Gericht.

Erkennbar habe die Klägerin damit zum Ausdruck bringen wollen, dass der Umschlag nicht sofort nach Übergabe, sondern erst, wenn die Urkalkulation relevant werden würde – also bei Fragen der Abrechnung, Preisänderungen etc. – geöffnet werden soll. Sicher sei damit nicht gemeint gewesen, so das OLG, dass der Umschlag nie geöffnet werden solle, dies hätte keinen Sinn ergeben.

 

Die Bedeutung für Bieter

Beim Nachreichen von Unterlagen gilt für Bieter: Erlaubt ist, was gefällt – solange es fristgerecht geschieht. Nachgereichte Unterlagen können zurückgefordert, korrigiert und ausgetauscht werden.

Fordert der öffentliche Auftraggeber fehlende Erklärungen oder Nachweise nach, muss er alles, was innerhalb der gesetzten Frist vom Bieter eingereicht wird, auch beachten. Das OLG Koblenz nimmt das Anliegen mehrerer Reformen des Vergaberechts also ernst, wonach möglichst verhindert werden soll, dass es zu einem Wettbewerb um die besten Angebote schon aus formalen Gründen gar nicht erst kommt. Das ist für Bieter, aber auch für Auftraggeber eine gute Nachricht.

 

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