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PRODUKTVORGABEN: UMFASSENDE NACHWEISLAST FÜR AUFTRAGGEBER

Produktvorgaben: Umfassende Nachweislast für Auftraggeber

Immer wieder stolpern wir Bieter über Produktvorgaben in Ausschreibungen aller Art, obwohl doch hinlänglich bekannt sein dürfte, dass öffentliche Ausschreibungen grundsätzlich produktneutral zu gestalten sind. Allerdings wird es wie immer kompliziert, wenn bei Juristen das Wort „grundsätzlich“ ins Spiel kommt, bedeutet es doch nichts anderes, als dass Abweichungen möglich sind. Folglich gibt es für die Vergabestellen einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen sie sehr wohl produktspezifische Vorgaben machen können. Diesem Spielraum hat das OLG Düsseldorf nun mit einem wegweisenden Urteil deutliche Grenzen gesetzt.

 

Der Fall

Im Rahmen einer Bauausschreibung nach VOB/A schrieb eine Vergabestelle die Lieferung und Montage einer digital steuerbaren Alarmanlage aus. Für einige technische Geräte im Rahmen des Gesamtsystems macht die Vergabestelle im Leistungsverzeichnis detaillierte Produktvorgaben zu den digitalen Alarmgebern und -umsetzern unter Nennung der Produkte eines bestimmten Herstellers. Es war also eindeutig vorgegeben, dass nur die Produkte eines bestimmten Herstellers im verlangten Alarmsystem verbaut werden durften.

Ein Anbieter rügte diese produktscharfen Herstellerangaben als vergaberechtswidrig, weil sie dem Gebot der Produktneutralität entgegenlaufen würden. Der Fall kam vor die Vergabekammer, die dem Antrag des Rügenden folgte und die die Aufhebung der Ausschreibung beschloss. Hiergegen wendete sich wiederum ein anderer Anbieter, der sich wohl berechtigte Hoffnung auf einen Zuschlag machen durfte in dem Fall, dass die Ausschreibung vergabekonform und zuschlagsfähig wäre. Der Fall kam vor den Vergabesenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf.

 

Das Urteil

Das OLG Düsseldorf befasste sich eingehend mit der Materie und kam gleich der Vergabekammer zu dem Schluss, dass eine Verletzung des Gebotes der Produktneutralität vorliege und hob die Ausschreibung auf. In der Urteilsbegründung bestätigte das OLG nochmals ausdrücklich, dass grundsätzlich manche Fälle vom Gebot der Produktneutralität ausgenommen seien. So gibt es neben den „klassischen“ Einschränkungsgründen wie beispielsweise der Gefahr von Leib und Leben durchaus andere gerechtfertigte Gründe für die Aufweichung der Produktneutralität.

Hätte beispielsweise durch die Vorgabe der Produkte eines Herstellers die Systemsicherheit maßgeblich erhöht oder das Risikopotential deutlich verringert werden können, wäre eine solche Produktvorgabe grundsätzlich vergaberechtskonform gewesen. Allerdings hat das OLG in seinem Urteil nochmals verdeutlicht, dass die Beweislast - in diesem Falle für die größere Systemsicherheit oder die Risikominimierung - eindeutig bei der Vergabestelle liegt. Sie muss klar und nachvollziehbar nachweisen können, dass einzig die Vorgabe dieser bestimmten Produkte die entsprechenden Nutzenvorteile mit sich bringt. Gibt es indessen technische Alternativen, die dieselben Vorteile mit sich bringen, darf die Vergabestelle keine entsprechenden Produktvorgaben machen. In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass Vergabestellen genau eruieren müssen, ob es nicht auch andere Wege als die Vorgabe eines Produktes gibt, um an die mit der Vergabe gesteckten Ziele zu gelangen.

 

Die Bedeutung für die Bieter

Mit dem vorliegenden Urteil hat das OLG Düsseldorf das Anrecht der Bieter auf die möglichste Einhaltung des Gebotes der Produktneutralität durch die Vergabestellen nochmals bestärkt.

Sehen Sie sich in einer Ausschreibung mit der Vorgabe von Produkten oder produktspezifischen Alleinstellungsmerkmalen (aka USP - unique selling propositions) anderer Hersteller konfrontiert, stellen Sie umgehend eine Bieterfrage und weisen Sie auf die nicht vergaberechtskonforme Verletzung der Produktneutralität gem. § 31 Abs. 6 VgV. (bzw. im Unterschwellenbereich §23 Abs. 5 UVgO, bei Bau-Vergabeverfahren §7 Abs. 2 VOB/A-EU bzw. im Unterschwellenbereich Bau VOB/A 1. Abschnitt §7 Abs. 2) hin.

Merken Sie zudem unter Verweis auf dieses Urteil an, dass die Vergabestelle den nachvollziehbaren Nachweis erbringen müsste, weshalb die Vorgabe eines Herstellers oder Herstellerproduktes der einzige Weg sei, die essentiellen Vergabeziele (neben der Wirtschaftlichkeit des Angebotes) zu erreichen. Nur in sehr wenigen und sehr klaren Fällen wird die Vergabestelle diesen Beweis erbringen können, zumal sie ja verpflichtet ist nachzuweisen, auch ausreichend Alternativen geprüft zu haben. Diesen Prüfaufwand dürfte die Behörde scheuen und stattdessen lieber eine Aufweichung der Produktvorgaben in Kauf nehmen, um die rechtskonforme Vergabe nicht zu gefährden. Fordern Sie daher gleich mit der ersten Bieterfrage offensiv ein überarbeitetes und von Produktvorgaben befreites Leistungsverzeichnis, um keine Zweifel über die Konsistenz Ihres Vorgehens aufkommen zu lassen.

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